Eine italienische Reise: Grado – Fossalon
Die Fakten
24,6 km 30 hm 65 hm
Start: Grado
Ziel: Fossalon
Schwierigkeit: einfache Wege (meist Radwege) ohne Steigungen
Mein zweiter Wandertag hatte ein paar unliebsame Überraschungen zu bieten, bei denen ich zunächst unschlüssig war, ob ich sie überhaupt hier beschreiben sollte. Aber beim Wandern ist eben auch nicht immer alles eitel Sonnenschein.
Dabei fing alles sehr gut an: Ich checkte aus, ging bei traumhaftem Wetter los und machte beim Weg aus der Stadt hinaus noch einen kleinen Abstecher zum Friedhof, von dem aus es auch noch einmal schöne Blicke auf die Lagune gab.



Danach ging es durch die kleine Stadtwildnis Valle Cavarera, wo die Wege teilweise ziemlich schlammig waren.


Da ich in der Selbstversorger-Unterkunft ein recht bescheidenes Frühstück mit Porridge und Tee gehabt hatte, legte ich nach einer knappen Stunde in einem schon etwas heruntergekommenen Vorort von Grado noch eine kleine Pause für ein zweites Frühstück ein.


Danach führte der Weg sehr schön am Meer entlang. Das Wasser hatte sich aufgrund der Ebbe gerade weit zurückgezogen. Ich verließ daher nach einer Weile den Weg und ging direkt am Strand weiter.



Dass ich so selbstvergessen am Strand entlangspazierte, wurde mir allerdings bald darauf zum Verhängnis. Als ich zurück zur Straße gehen wollte, stellte ich fest, dass ich mich innerhalb eines Camping-/Ferienhausareals befand, das derzeit noch leer und verschlossen war. Ich ging weiter in der Hoffnung, dass ich dieses irgendwo verlassen könnte, fand aber keine Möglichkeit. Als ich schon dachte, dass ich mehr als zwei Kilometer wieder zurückgehen müsste, traf ich auf einen Gärtner, der hier gerade die Pflanzen pflegte. Er war so freundlich mich zum Ausgang zu bringen und mir dort das Tor aufzusperren. Puh, da hatte ich ja nochmal Glück gehabt!


Auf einem Fahrradweg ging ich weiter ins Naturreservat Valle Cavanata. In diesem Feuchtgebiet nisten zahlreiche Vogelarten und von einem Beobachtungspavillon aus konnte ich auch zahlreiche Flamingos sehen.



Schließlich kam ich wieder zur Küste, wo der Fahrradweg sehr schön am Meer entlangführte.


Ich wanderte hier also entspannt dahin, bis ich auf einmal neben dem Weg einen nackten Mann sah, der sehr mit sich selbst beschäftigt war, um es mal so zu formulieren. Er stand so, dass er es definitiv darauf anlegte vom Weg aus gesehen zu werden. Ich ging zügig vorbei und ignorierte ihn dabei so gut wie möglich, aber danach brauchte ich erst einmal ein wenig, um mich wieder zu sammeln.
Die weiteren Kilometer auf diesem Fahrradweg verbrachte ich dann zunächst am Telefon mit Julian und später in Sichtweite von zwei weiteren Wanderinnen, was ich beruhigend fand. Bis ich das Restaurant Caneo erreichte, das sich auf einer Plattform über dem Fluss Isonzo befindet, war ich daher wieder einigermaßen entspannt. Das Restaurant war noch geschlossen, aber ein paar Arbeiter bereiteten schon alles für den baldigen Saisonbeginn vor. Von dort führte ein Holzsteg durch das Schilf, bis zu einem kleinen Pavillon am eigentlichen Flussufer. Die Farbe des Wassers war hier unglaublich und ich nutzte das schöne Fleckchen für eine kurze Pause.





Nun hatte ich noch etwa sieben Kilometer bis zur Bushaltestelle Terranova an der Strada provinciale 19 vor mir. Da es wieder die ganze Zeit geradeaus zunächst auf einem Fahrradweg und dann auf einer Straße entlanggehen würde, überlegte ich, ob ich stattdessen die Bushaltestelle davor in Fossalon ansteuern sollte, um mir auf diese Weise etwa zwei Kilometer zu ersparen. Da der Weg zunächst aber ganz schön war, wollte ich bei meinem ursprünglichen Plan bleiben.


Bis ich genau dort, wo die Straße nach Fossalon abzweigt, ein weiteres Mal auf den Mann stieß – wieder nackt im Gebüsch neben dem Weg. Ich bog, ohne noch weiter darüber nachzudenken, sofort nach Fossalon ab und erreichte die Siedlung einen knappen Kilometer später. Hier sprach ich mit zwei Frauen über das Erlebnis, da ich wissen wollte, ob der Mann hier vielleicht schon bekannt wäre oder sie von ähnlichen Vorfällen schon gehört hätten. Das war aber nicht der Fall und die beiden waren auch ziemlich schockiert. Bald darauf kam auch schon mein Bus nach Monfalcone, wo ich noch die Polizeistation aufsuchte. Es war zwar niemand mehr vor Ort, aber ich konnte über eine Telefonanlage mit einer Polizistin sprechen, der ich das Erlebte schilderte und die genauen Standorte der beiden Begegnungen beschrieb.
Ich weiß nicht, ob es sinnvoller gewesen wäre, direkt am Weg die Polizei zu rufen, aber ehrlich gesagt war ich mir gar nicht so sicher, ob man mich ernst nehmen würde und ich wollte auch nicht vor Ort warten müssen. Die beiden Frauen in Fossalon bestärkten mich aber darin es doch noch zu melden. Glücklicherweise hatte ich in all meinen Wanderjahren bisher noch nie ein Erlebnis solcher Art oder überhaupt unangehmere Erfahrungen als Kühe auf dem Weg gehabt. Ich habe aber leider schon ein paarmal über ähnliche und mitunter auch bedrohliche Begegnungen auf den Jakobswegen in Spanien und Portugal gelesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einem so etwas passiert, ist sicher trotzdem sehr gering, aber sollte jemand einen Camino planen, ist folgende Information vielleicht hilfreich: In Spanien gibt es die App AlertCops, über die man eine Gefahrensituation unkompliziert und mit Übermittlung des Standortes melden kann.
Fazit: Angesichts dieser Erlebnisse habe ich die Strecke dieses Tages nicht in allerbester Erinnerung. Abgesehen davon, dass es sehr viel über Asphalt geht, ist sie aber eigentlich sehr schön. Oft führt der Weg direkt am Meer entlang und das Naturreservat Valle Cavanata sowie die Isonzomündung sind landschaftlich wunderschön.
