Wege in Europa

Ostsee-Wanderung 3: Stahlbrode – Stralsund

Die Fakten
19,2 km 131 hm 113 hm
Start: Stahlbrode
Ziel: Stralsund

Meine Nacht im Zelt war nicht die beste, zumal es ganz schön kalt wurde, aber zumindest erwachte ich am Morgen ohne von Nacktschnecken umzingelt zu sein. In der Campingküche machte ich mir Tee und meinen obligatorischen Porridge, ehe ich das Zelt abbaute und alles zusammenpackte. Vor 8 Uhr war ich schon auf dem Weg, denn heute hatte ich einen straffen Zeitplan. Eigentlich hätte ich in Altefähr, das gegenüber von Stralsund auf Rügen liegt, auf dem Campingplatz übernachten wollen. Aber Sabine von der Herberge in Jager hatte mir eine Pilgerherberge empfohlen. Diese wäre insofern praktisch, weil sie mitten in Stralsund liegt und ich somit die Stadt ohne Rucksack besichtigen könnte. Einziger Haken: Da der Pfarrer gerade im Urlaub und die Pfarrsekretärin nur bis 14 Uhr da war, musste ich bis dahin den Schlüssel holen. Bei knapp 24 km ein sportliches Vorhaben.

Ich ging also flott los, wurde aber durch eine angenehme Begegnung ausgebremst: Eine Spaziergängerin sprach mich auf meinen Rucksack an und wollte mehr über meine Wanderung wissen. Sie meinte, wie toll sie das fände und wie gern sie sowas machen würde, aber dass sie es alleine noch nicht mal wagen würde den Radius ihrer Spazierrunde zu vergrößern. Wir sprachen über Komfortzonen und ich redete ihr sehr zu ihre zu verlassen. Es war ein sehr inspirierendes Gespräch und ich möchte auch hier nochmal ausdrücklich schreiben, dass es nicht die Abwesenheit von Angst braucht um etwas neues zu wagen. Ich habe noch immer vor so vielen Sachen Angst beim Wandern oder bin zu bequem für manches, aber mit jedem Mal Überwinden wird es etwas einfacher. Es gibt natürlich Grenzen, aber ich hoffe, dass ich meine in Zukunft weiter verschieben kann.

Nach dieser schönen Bwgegnung musste ich nun einen Zahn zulegen. Es ging die ersten zwei Stunden an der Küste entlang, zunächst noch durch Siedlungsgebiet, dann über schmale, einsame Pfade, die stellenweise ziemlich verwachsen waren. Da das Gras noch vom Tau nass war, wurde ich auch ziemlich nass.

Bei Niederhof führte mich der Weg erst einmal von der Küste weg. Als ich dort bei einem Caravanverleih vorbeikam, sah ich ein Kaffeesymbol und bog hoffnungsvoll ein. Eine private Gruppe saß dort beisammen und frühstückte. Von einem Café wussten sie zwar nichts, aber sie versorgten mich ohne zu zögern aus ihrer Kaffeekanne. Wieviel besser kann ein Tag noch werden? Kurz danach fand ich auf dem abwechslungsreichen Weg nach Brandshagen auch noch zahlreiche Brombeeren.

In Brandshagen besichtigte ich kurz die Kirche, wenn auch nur von außen, da sie verschlossen war.

Hier fragte mich ein freundlicher älterer Herr, ob ich eine Mitfahrgelegenheit bräuchte. Brauchte ich nicht, aber es war an der Zeit über meine weitere Planung nachzudenken. Zwar konnte ich die Strecke bis Stralsund rechtzeitig schaffen, aber nur, wenn ich ohne Pause zügig den restlichen Weg ginge und auf der Straße abkürzte. Ich beschloss, es stattdessen lieber gemütlicher anzugehen und am Stadtrand von Stralsund in den Bus zu steigen. Nichtsdestotrotz stand mir nun ein längerer Abschnitt auf der Straße bevor. Die Sonne brannte hier ganz schön herab und die Straße verlief schier endlos in einer Gerade.

In so einem Fall hilft mir dann nur noch Musik. Meine Kriterien für die Auswahl: motivierend-flotte Lieder, die ich gut genug kenne, dass ich mitsingen kann. Dauerbrenner für diesen Einsatzfall sind „It’s My Life“ von Bon Jovi und „I’m Gonna Be (500 Miles)“ von The Proclaimers. Auf diese Weise vergingen die knapp zwei Stunden auf der Straße fast wie im Flug. Am Ende machte ich noch eine Pause im Schatten, ehe das letzte Stück bis zur Bushaltestelle wieder am Meer entlangging.

Um 13 Uhr hatte ich meine heutige Strecke von 19 km geschafft und legte den restlichen Weg in die Hansestadt Stralsund im Bus zurück. So erreichte ich mit Spielraum die Pilgerherberge und bekam den Schlüssel ausgehändigt. Die Herberge im Pfarrhaus ist ziemlich groß und hat mehrere kleine Schlafzimmer, aber ich hatte sie diese Nacht ganz für mich allein.

Nachdem ich meinen Rucksack abgeladen und geduscht hatte, machte ich mich auf zur Stadtbesichtigung. Zuerst warf ich einen Blick in die zur Pfarre gehörende Katholische Kirche, die sich als offene Kirche versteht und im Eingangsbereich sogar Tee und Kaffee anbietet.

Mein nächstes Ziel war die Marienkirche, eine mittelalterliche Backsteinkirche mit barocker Orgel und einem gut 100 Meter hohen Glockenturm. Die Kirche war fast schon überwältigend groß und überwältigend war auch der Blick vom Turm nach dem ziemlich beschwerlichen Aufstieg.

Danach war ich reif für eine Kaffeepause, ehe ich noch weiter die Stadt erkundete und spontan einem Museumshaus einen Besuch abstattete. Das Krämeraus aus dem 14. Jahrhundert erstreckt sich über sieben Stockwerke und wurde bis in die 70er Jahre bewohnt. Der heutige Zustand spiegelt die verschiedenen Phasen seiner Geschichte wieder. Das Lastenrad stammt aus dem Mittelalter und ist noch immer funktionstüchtig.

Nach einem Einkauf ging ich schließlich zurück zur Herberge, um zu kochen und zu essen, aber ich machte mich dann noch einmal auf zum Frankenteich, um von dort einen schönen Blick auf die Stadt und die Marienkirche zu genießen. Da der Blick hier perfekt war, um die Marienkirche genau im Sonnenuntergang zu sehen, blieb ich noch länger als geplant und konnte somit noch eine sehr schöne Abendstimmung einfangen.

Und mit dem Kopf voller schöner Eindrücke machte ich mich schließlich auf den Weg zurück zur Herberge und ins Bett.

Fazit: Ein sehr ausgefüllter Tag mit netten Begegnungen, einer großteils schönen Wanderstrecke und der interessanten Stadtbesichtigung zum Abschluss.

2 Comments

  • Moni

    Das klingt alles wirklich fein. Soviele nette Begegnungen und Gespräche hattest du sonst nicht,oder? Finde ich jedenfalls auffällig! Schön,dass die Menschen so nett und hilfsbereit sind. Und die Abendstimmungs-Fotos sind der Hammer. Danke für den Bericht und das teilhaben lassen!

    • Judith

      Am ehesten auf Pilgerwegen, sonst eher weniger beim Wandern (zumindest nicht so gehäuft). Mit meiner Mutter am Almuferweg hatte ich damals aber auch auffallend viele nette Begegnungen.
      Die Abendstimmung war wirklich toll – dafür hat sich das dort Ausharren gelohnt.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert